Editorial
Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,
der Wahnsinn naht. Ob in Gestalt von Karneval oder anderen Unwägbarkeiten.
Wir haben derweil überwintert – und überlebt. Aus den Schlaf gerissen haben uns einige merkwürdige Gestalten. Von Curzio Malaparte bis hin zu Kindern in durchnässten Sneakers, Schwätzbacken, Pfefferminzköpfen oder grellen Fools, die ja gerade überall lauern.
Künstler Thomas von Klettenberg hat einigen von Ihnen ein Gesicht gegeben. Dazu gibt es Poetisches aus den Grenzgebieten der guten Stimmung.
Und wer einmal einem untoten Italiener im Dandykostüm begegnen möchte, hat dazu bei einer szenischen Lesung in Duisburg-Ruhrort am Sonntag, dem 22. Februar, die Gelegenheit. Denn dort war immer schon alles möglich.
Verwirrt? Macht doch nichts. Wir sind es immer.
Eure,
Silke Vogten und Flora Jörgens
Fools
Algorithmus oder Neue frohe Botschaften
Berechne mich
ich bin berechenbar
Beliefere mich
auch wenn ich gar nichts will
Zeige mir
was meine Zukunft ist
und was ich kauf
und lese und sauf
und wann ich sterbe
und wann ich kill
Verstehe mich
besser als ich selbst
mich je verstand
Vernetze und
verliebe mich
verkaufe mir
die ganze Welt
für meine Seele
und mein Geld
Verrate mich
Geheimnisse sind rar
ich zahle immer
mit meinem letzten
bisschen Geist
und allem
was ich bin und
was ich war
Fools
Kind im Februar
Es schlurft
mit halbnassen Füssen
in Sneakers
baumelt
an den Armen
der Turnbeutel
drückt
auf dem Rücken
der Riesen-Scout
wackelt
in der Hand
der viel zu große Schirm
Den Mund fest
zugepresst gegen
den peitschenden Regen
und den Körper
gestemmt gegen
den zerrenden Sturm
Ein Schlurfen,
ein Baumeln,
ein Drücken,
ein Wackeln
ein Pressen,
ein Stemmen
gegen alle Widrigkeiten,
gegen Wetter und den Wind
Ach…
Und das ist erst der Anfang,
mein Kind.
Fools
Grandiose Verplemperung...
Lavaggio
stundenlang sinnlos
nach Campomaggi
Taschen googlen
Lewin
Die Exaktheit von Tolstois Alter Ego
meint nur drei Prozent Leben
sind wirklich wichtig
Lächerlich
verschwende meine Zeit
und fahre mit dem Zeigefinger
digital nach Riga
Niemals
komme ich da wirklich an
Jenseits diesseits
Nina Hagen sang:
„Mein Udo ist schon lange tot“
und meiner ist es auch…
Alle Gedichte: Silke Vogten. Alle Bilder: Thomas von Klettenberg. Der Künstler malt auf Licht. Seine Arbeiten entstehen seit drei Jahren auf dem Bildschirm des IPads. Seine Gemälde, auf Alu-Dibond geprintet, wurden bereits mehrfach ausgestellt und bestens verkauft. Damit hatte von Klettenberg, der eigentlich als Thomas Hackenberg im Hauptberuf Moderator und Comedian ist, nicht unbedingt gerechnet. Sein letzter Coup: eine limitierte Edition, die er Kölsch-Gläsern gewidmet hat, müsste mittlerweile ausverkauft sein. Mehr unter www.von-klettenberg.net
Fools
In eigener Sache
Sonntag, 22. Februar 2015, 18:00 Uhr:
»Curzio Malaparte – Begegnung mit einem Untoten«
Szenische Lesung + Collage
von Silke Vogten und Jochen Zimmer
mit Rupert Seidl
Über Curzio Malaparte (1898 - 1957)
Egozentriker. Dandy. Snob. Diplomat. Wie eine Flipperkugel flitzte Curzio Malaparte von einer politischen oder moralischen Position zur nächsten. Und immer lange, bevor sich der Wind drehen würde. Ein „zivilgesellschaftlicher" Papiertiger war Malaparte, der in der frühen 50er Jahren mit „Die Haut" einen provokanten Besteller ablieferte, wohl nie. In keiner Phase seines Schaffens. Viele seiner Schriften, Bemerkungen, Positionen erscheinen heute verfehlt, ja grotesk. Dennoch ist er, der Schriftsteller, Diplomat, Journalist und Kriegsberichterstatter, im faschistisch geprägten Italien Mussolinis ein rabiater und kritischer Zeuge seiner Zeit. Mit seinen Essays, Glossen und dem kritischen Feuilleton. Ebenso mit seiner Villa Mala auf Capri, mit der er sich selbst ein Denkmal setzte ...
Eine Begegnung. Lokal Harmonie, Harmoniestr. 41, 47119 Duisburg-Ruhrort.
Mehr: www.lokal-harmonie.de