Editorial
Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,
dunkle Tage. Und eine gute Zeit sich im Düsteren zu suhlen, Melancholie herauszukramen und alleine in den Wald zu gehen. Falls Ihr auf Geister trefft, umso besser.
Wir haben dort einige gefunden, manche waren auch „on the road“. Und wer ist eigentlich dieser mies gelaunte Pumpkin, der immer näher kommt?
Keine Angst. Es ist alles nur Licht und Schatten. Und es fängt ja gerade auch erst an mit der dunkleren Jahreszeit. Bevor es also wieder goldig zugeht,
folgt uns die Finsternis…
EureSilke Vogten und Flora Jörgens
Unterwegs mit Geistern
November
Ich bin der Zug nach Winterland
Der Weg ist ein Paar Schienen
Die Herbstfrucht in der Blätterhand
wird mir zum Feuern dienen
Der Kessel steht in Herbstlaubflammen
Wind streut bunte Scheite
Endlos fahre ich zusammen
Gänsehaut spürt Weite
Julia Torres
Unterwegs mit Geistern
Besuch auf dem Kopfkissen
Beim Öffnen ihrer cremeweiße Bluse
spricht sie mit ruhiger Stimme:
„Hier.“
Und mit erstauntem Blick folge ich ihr
zu einem großen Fleck über der Brust
in violetter und nachtblauer Farbe.
Ihn reibt sie zärtlich und nachdenklich
mit langsam kreisender Bewegung
und sieht mich dabei an.
Ich schau ihr zu und sehe uns beide
sitzen auf einer Rückbank.
Irgendwo. Wir fahren langsam
durch die Nacht.
Dann zwingt ein Duft
so süß und unerträglich
mich abzuwenden.
Und leise schnüffelnd wach ich auf.
Silke Vogten
Unterwegs mit Geistern
Geister
Heute im Wald
bin ich mit Geistern geritten
inmitten
des dunkelgrünen Geästs
auf all den Wegen
über die wir
hundertmal
schritten
auf all den Strecken
die wir zusammen
fliegend
nahmen
dann
seid ihr wieder
verschwunden
in dem dunkelgrünen Geäst
und ich
ging alleine
weiter
Silke Vogten
Unterwegs mit Geistern
Fahren in der Nacht
fahren
auf den dunklen Straßen
nur wenige Lichter
noch vor sich
und hinter sich
fahren alleine
und mit mir
die schwarze Nacht
die Erinnerungen
im Dunkelblau
fahren
neben schlingend
endlosen Streifen
stumm vorbei an
säumenden Schatten
und dann
lasse ich mich besuchen
von den Geistern
von den Toten
von all den alten Bildern
von all den flüsternden Stimmen
und weine
und schweige
mich weit
zurück
Silke Vogten
Unterwegs mit Geistern
Auftanken
Keine Zeit mehr,
schlafen müssen.
mich mit Küssen?
Julia Torres
Abgesang
Das Licht verlöscht
die Schatten stehen still
nichts wandert mehr
also
schließe deine Augen
und hör auf
Silke Vogten
Foto: Wasserfall, Island. Von Maren Hachmeister
Die Schauspielerin Julia Torres (Jahrgang 1974) lebt in Siegburg (natürlich nicht Siegen…) und tritt regelmäßig mit eigenen Programmen und Lesungen auf.
So auch am 1. November mit „Mädchen fangen", Körperkost-Lyrik, in der Kunst und Ausstellungshalle, Luisenstraße 80 in Siegburg.
Gemeinsam mit Silke Vogten gibt es am 14. Dezember 2012 im Siegburger Atelier Rosa Aussicht die Lesung „Weisse Worte“ 20.30 Uhr. Mehr Infos unter www.Juliatorres.de
Der Graphiker Rainer Resch zauberte diesmal aus seinem Web-Fotoalbum Werke mit Wasserfarbe – ein Relikt aus den 80er Jahren.
Fotokünstlerin Maren Hachmeister zog es in den hohen Norden nach Island, wo sie einige Monate verbrachte. Jetzt ist sie wieder zurück in Köln.