Editorial

 

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

auch in der dritten Ausgabe von »Escapade belles-lettres« bleiben wir frankophil. Nach »Dessous« widmen wir uns dieses Mal einem Begriff, der relativ unbeschädigt im deutschen Sprachgebrauch überlebt: »Délicatesse«.

Achim Wigand, früher einmal Mitarbeiter eines führenden (Achtung! Schon wieder französisch!) Gourmet-Magazins, verzweifelt exklusiv für »Escapade« an der Redensart »Liebe geht durch den Magen«. Achim hat es elaborierter formuliert mit der Dachzeile: »Aporien und Paradoxa einer sexuellen Kulinarik«. Mehr dazu unter »Ukaipa dziwa kuwina«.

Ebenfalls nur für uns fotografierte Dirk Bannert ein äußerst unwilliges Model, das partout nicht ins Erdbeer-Törtchen beißen wollte. »Bäckerblume« war noch die harmloseste Nörgelei, die sich der Kölner Fotograf, der ansonsten für Zeitschriften und namhafte Industrieunternehmen arbeitet, anhören musste.
Dabei brauchte Silkes Gedicht dringend eine Optik.

Dieses Mal gibt es kein MP3-File, sondern das Angebot einer Interaktion: ein Rätsel, das Ihr lösen könnt. Ein weiteres Mal geht es nach Acapulco. Jacqueline Petite hat nocheinmal ihr privates Archiv geöffnet und ein Foto aus den frühen 60er Jahren hervor geholt. Soweit uns bekannt, ist dieses bislang in Deutschland unveröffentlicht geblieben. Eine echte Delikatesse! Für »Escapade« hat Hermann-Josef Bremen den zerknitterten s/w-Abzug bearbeitet (von ihm selbst ist das Chili-Motiv). Ihr sollt nun mindestens drei der vier bekannten Persönlichkeiten erkennen, die zu Tisch in der Villa Vera sitzen.

Unser dank für diese Ausgabe gilt: Dirk Bannert (www.foto-bannert.de), Achim Wigand, HJ Bremen und den Leserbriefschreibern.

Viel Spaß wünschen Euch

Eure,
Flora Jörgens und Silke Vogten

Foto: Dirk Bannert

Spezialitäten

 

Eines Tages
ließ sie

(in einem Anfall
von Appetit)

ihre Liebhaber
Revue passieren

Und es drängten sich
bei jenen

die einst eine
Hauptspeise darboten

folgende Assoziationen auf:

So war die Liebe Nr. 1
ein Pastagericht
wohl eine Lasagne

die Liebe Nr. 2
Klöße und Braten
(in schwerer Soße)

und

die Liebe Nr. 3
ein schönes luftiges
Soufflé...

Silke Vogten

Foto: Hermann-Josef Bremen

»Ukaipa dziwa kuwina«

 

Oh ja, die Weisheit der zentralafrikanischen Völker: Wenn du hässlich bist, lerne tanzen. Eurozentristischer,intellektueller Dünkel, eine generelle Abneigung gegen Tanztheater und vor allem meine gierig-dissipative Verfressenheit haben mich indes das Kochen und seine Hilfswissenschaften gelehrt. Deshalb schlafe ich heute meistens alleine – mit einem properen Hüftschwung wäre das eher nicht passiert. Aber ich meinte ja, man könne die Mädels auch ins Bett kochen und damit Synergieeffekte haben: Fressensaufenhedonieren und dabei noch kreative Erfüllung in fortgeschrittener Küchenaktivität finden. Über 29 Jahre bin ich dieser kulinarischen Chimäre hinterher gelaufen, gesegnet mit offenkundig hoher Frustrationstoleranz (neuerdings auch wirksamen Antidepressiva). Jetzt habe ich mir meine Messer zu Modeschmuck umgeschmiedet, mein Passiersieb aus dem Fenster geworfen und mich für 'Salsa & Merengue I' angemeldet.

Vielleicht lag es ja auch an meiner kulinarischen Proselytenmacherei: nie hat es mir genügt, einfach nur mit meinen Standard-Angeber-Rezepten Eindruck zu schinden, nein, stets habe ich die Mädels auch immer zu einem gourmandisen Besseren überzeugen wollen. Kalbsbries, Fettammern, Oktopus: Bis zum Horizont und noch viel weiter! Dabei hätte doch einfache sozio-ökonomische Analyse so ungleich bessere Chancen eröffnet.
Ein Unterschichthase – niemals ganze Fische auf den Teller!
Höhere Töchter – zwingend Fischbesteck auf den Tisch, die Reflexe sitzen tief.
Eine Schönheit ruraler Provenienz: Unbedingt einen Braten als Hauptgang, dann fühlt sie sich zu Hause.

Aber ich saß und grübete über zentnerschweren Folianten nach dem finalen Menü. Sie kamen, aßen, fanden es ganz in Ordnung – und ließen sich von den Miracoli-Knorr-Maggifix-Proleten vögeln. Die hatten auch deutlich bessere Laune, mussten sich ja auch nicht über misslungene Phasenübergänge einer Bavarois ärgern, verpasste Legierungspunkte begrimmen oder zu knappe Garzeiten beweinen. Tütchen auf, heiß' Wasser drauf und schon hat man nebenbei prima Zeit, ein triefendes Kompliment über Schuhe und/oder Haargestaltung zu machen… zack, liegt die Maus paarungsbereit in der Kiste.
Am schlimmsten die frühen Versuche, als ich noch glaubte, das Hohelied des gerieften Rohmilchkäses anstelle der Schalmeienklänge des eklen Süßkrams singen zu müssen. »Wie, kein Dessert?«, nach der Frage war alles Pochieren, Braisieren und Tournieren geronnene Hollandaise und mein lasziv-bitteres Cunnilingusdessert blieb im Kühlschrank staubtrockener Dessous.
Auch nach vermiedenen Käsedebakeln wurde es kaum besser, gemästet mit fein-flüssigen Fondants und fetten englischen Cremes verlangten die gastrosophisch Becircten mit einem verlegenen »börp« nach einem Taxi, um dem geblähten Wanst ein üppiges Verdauungsschläfchen zu gönnen. Notabene im eigenen Bett, voller Bauch fickt eben nicht gern.
Von Katastrophen mit Veganerinnen, Trennköstlerinnen und Frei-Radikale-Bändigerinnen in diesem Zusammenhang kein Wort, ebenso von der unglücklich gefäßerweiternden Wirkung maßlos genossenen Alkohols auf – für meine Absichten – unbedingt wichtige Blutbahnen im mittleren Süden des männlichen Körpers. Der erkochte One-Night-Stand, einMythos der hochglanzbeschichteten Verlautbarungsorgane des testosterongeschwängerten Küchendunstes von »Beef« bis »Effilee«, den »Menüs Health«-Epigonen des beginnenden Dezenniums.

Kaum weniger enttäuschend verliefen die Versuche, eine neue große Liebe mittels ausschweifender, selbstredend selbst geschaffener Gelage mit noch engerem Band an mich zu ketten. Spätestens nach dem zweiten Gang – gern eine gewagt mehrfarbige Timbale aus Flussfischen mit Krustaceeneinlage – ahnte der schlaue (Doofe sind noch langweiliger als Vegetarierinnen) neue Schatz, was in einer potenziellen Beziehung auf sie zukommen würde: endlose Belehrungen über den richtigen Gebrauch und die Pflege von Küchenmessern (Frauen dieser Welt, was habt ihr gegen scharfe Klingen?), Standpauken wegen überschrittener Kantenlängen der Brunoise und ständiges Gejammer über die unbefriedigende Versorgungslage mit Frischfisch. Bald flohen sie meinen Herd für magenblinde Dramaturgen, geschmackstote Kameramänner oder nutellaverschmierte Histrionen. Geblieben sind mir gar nicht so wenige ehemalige Schwiegermütter, die mal schnell wegen dieser sensationellen Mousse oder der fachgerechten Füllung einer Gans (»… wie du sie Weihnachten 2001 so lecker gemacht hast!«) nebst richtiger Garzeiten und -temperaturen durchklingen.

Als einzig brauchbarer, zumindest ernährungskorrelierter Ansatz hat sich die gute alte Tante »Einladung ins Restaurant« (Bib Gourmand und höher) bewährt. Das schafft für den routinierten Auswärtsfresser einerseits eine unerwartete Heimspielsituation auf vermeintlich fremdem Platz – das kunstvolle Abkanzeln eines naseweisen Somaliers ohne diskriminierenden Unterton schafft schließlich eine ungeahnte Aura von Kompetenz und Weltläufigkeit. Außerdem, wahrscheinlich wichtiger, vermittelt es die Illusion ökonomischer Saturiertheit, und reiche Typen fanden die Mädels ja schon immer klasse. Das Berufsbild 'Waffen- und Drogenhandel' ist deshalb wohl deutlich zielführender für immerwährenden sexuellen Erfolg als in jahrzehntelangem Trial-and-Error erworbene kulinarische Fertigkeit. Moralisch freilich anzweifelbar und zudem der eigenen Lebenserwartung nicht eben zuträglich.

Ich jedenfalls versuche es jetzt mit der Tanzschule. Links-rechts-Wie-ge-schritt-und-rück-seit-Schluss. Mit garantiertem Körperkontakt.

Achim Wigand

Achim Wigand, Jahrgang 1968, lebt in München. Er mäanderte nach ausgedehntenm Studium durch die deutsche Dienstleistungsgeografie und arbeitete als Gastjournalist, Boxtrainer, Vernastaltungstechniker und in der Öffentlichkeitsarbeit eines großen Unternehmens. Wigand veröffentlichte einen Reiseführer über das »weithin unterschätzte Montenegro« und einen City-Guide über das »weithin überschätzte München«, beide erschienen im Michael-Müller-Verlag. Ebendort ist ein weiterer Titel über Thüringen angekündigt.

Rätsel

 

 

Ein amuse l'œil? Sehr oft haben diese VIPs sicher nicht aufs Essen gewartet.

Unsere Frage:

Vor Kopf sitzt der Gastgeber. Er ist heutzutage fast vergessen. Wer seinen Namen errät, bekommt einen Bonuspunkt.

Aber: die Dame neben ihm müsst Ihr erkennen, eine immer noch viel beschäftigte Schauspielerin.

Links vorne sitzt nicht Madonna, sondern ebenfalls eine Actrice. Die allerdings auf tragische Weise ums Leben kam.

Der Mann neben ihr ist durch ein unrühmliches Ereignis hingegen zurzeit fast täglich in den »Leute«-Meldungen der Tageszeitungen.

Wer sind die drei?

Die Auflösung erfolgt im nächsten »Escapade belles-lettres«. Wir wollen nicht, dass Ihr vorm Bildschirm einen Kopfstand machen müsst. Außerdem gibt es für die ersten drei Einsender der Lösung folgende Gewinne zur Wahl:
1 schöne CD,
1 schönes Buch,
1 schönes Foto.
Der Bonuspunktgewinner bekommt zusätzlich ein Gewürz, das in dieser Ausgabe eine Rolle spielt.

Ausgeschlossen von der Teilnahme sind: HJ Bremen, der das Foto entknittert hat, Tom Noga, Flora Jörgens UND LEIDER Silke Vogten, obwohl sie als Herausgeberin das Rätsel auf Anhieb lösen konnte!

Das Salz in der Suppe:
die Leser!

 

Vielen Dank für die interessante und für mich so ganz andere Lektüre.
Sehr professionell gemacht! Bert E.

Hab Dank für neue Escapade. Ich bekomme den Anhang auf mit Nero-Foto-Dingsbums, aber keine schlechte Idee, das als Blog zu gestalten! Ist auch noch lebendiger und vielseitiger bzgl. Gestaltung und Update! Bernharde H.

Ein kleiner, nicht für Veröfentlichungen bestimmter Beitrag zum Thema »Dessous« anbei von Claudia E. (Es folgt ein Comic über Nacktscanner.)

Auch von mir mal ein Lob für Escapade. Toller Text von Petra, klasse Fotos. Tom N.

Informativ, witzig, sexy, unterhaltsam = gelungen! Der Newsletter ist wirklich ein Schmaus für Augen und Ohren!!! Bitte weiter so :-)) Mil besos: Gabi P.

Nun endlich auch von mir eine Reaktion! Herzlichen Glückwunsch! Das macht Spaß, nicht zu lang, nicht zu kurz, sinnlich, greifbar, leicht. Wie schön, dass Ihr Euch einfach selbst einen Weg sucht zum Austoben! Carolin P.

Ich finde das klasse. Uschi

(z.T. gekürzt)