Editorial

 

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

auch wenn es unter unseren Lesern eine ganze Reihe „Flachlandtiroler“ gibt – da nehmen wir uns nicht aus (Niederrhein! Köln!) – so lassen wir ihn in dieser Ausgabe erschallen, den Ruf der Berge!

Oder gerade, weil es so viele Flachlandtiroler gibt?? Die gar nach dem Bürgermeister von Wesel fragen?

Wir wollen eben hoch hinaus. Für Escapade belles-lettres erklimmen schwindelnde Höhen: der Autor und Reiseführer Achim Wigand und Social-Web-Experte Frank Tentler, der seine imposanten Fotos gleich unterwegs bearbeitet.

Wir denken, dass Escapade damit auf dem Gipfel angekommen ist (jedenfalls dem ersten Gipfel, weitere sind in Planung) und warten gespannt auf Euer Echo.
Bis dahin satteln wir die Esel.

Eure,
Flora Jörgens und Silke Vogten

Foto: Frank Tentler

Berge I

Ankommen

Die Weisen sagen:
Der Weg ist das Ziel.

Nicht der Anfang.
Nicht die Zukunft.
Nicht das Ende.

Der Weg ist das Ziel.

Der Moment.
Die Gegenwart.
Das Jetzt.

Der Weg ist das Ziel.

Ich aber sage:
Ankommen hat was.

Frank Tentler

Fotos: Frank Tentler

Berge II

In die Berge

Jaja, schon schön, München. Aber früher oder später geht einem jede Großstadt mächtig auf den Keks, auch die urbanste Stadtmaus liegt waidwund auf dem heißen Pflaster der sommerlich aufgeheizten Metropole (wow – verschärfter Poesieverdacht…). Dann wird es Zeit für den münchnerischsten aller zugroasten Stoßseufzer: Das Umland! Die Seen!! Die Berge!!! Stimmt schon, ist wirklich nicht weit und die BOB (noch so eine Privatbahn, die natürlich keine Privatbahn ist, sondern ziemlich intensiv mit dem französischen Staat verbandelt ist) ist in einer guten Stunde im Mangfallgebirge.
Da wollen wir hin. Meine neue nemesis divina (link) hat nämlich nach logistischer Hilfe nach einer Exkursion jenseits der Stadtgrenzen gefragt und mit notorisch großsprecherischer Geste habe ich meine ungeheure Lokal- und Guidekompetenz (link!) ins Spiel gebracht. Ursprünglich wollte sie ja um einen unserer Bonzen-Seen radeln – schöner Gedanke, zwischendurch ein Sprung in den Millionärstümpel und diese ätherisch-schlanken-blonden Dinger sehen immer so wunderbar nach gerupftem Huhn aus – aber dann zeigt sie sich elektrisiert vom Gedanken an eine Bergwanderung. Noch besser, da kann man dann exzessiv mit seiner Bärenkondition (hatte ich mal…) und total professionellen Gadgets am Outdoorhosengürtel prahlen. Multitool, Taschenlampe (vielleicht wird’s ja – sabber! – doch später?) und natürlich das unvermeidliche GPS-Gerät (link) mit detailgenauer topografischer Karte. Im Rucksack Luftgetrocknetes, Rohmilchgereiftes, Edelgebranntes und noch ein paar Müsliriegel – das wird der ganz große Bergfextriumph und sie unvergesslich beeindruckt.
Beeindruckt bin dann aber doch erst mal ich: Das schottische Wunderkind hat nämlich in ihrer Zeit in Kanada durchaus einschlägige Erfahrung gesammelt, „oh, just a couple of 14ers, 15ers“, also schlappe 5.000 m-Hügel in den Rockies. So hoch kann ich myopischer Zwerg noch nicht mal schauen. Ob sie wohl die ganze Zeit rückwärts läuft? Oder auf den Händen? Demutserfahrung voraus. Kneifen geht jetzt aber nicht mehr und deshalb bastele ich einen wunderbaren Track zusammen (Data-Link), den ich mit meiner reifen Bergerfahrung gleich noch um ein paar gewiefte Shortcuts korrigiere.
Schnapsidee, wie sich schnell herausstellt, denn blaue Linien auf der Karte bedeuten einen Wasserlauf, und meine Abkürzung führt durch einen Bach und dichtes Buchengestrüpp auf sumpfigem Boden und ergibt einen Streckengewinn von genau -40 m. Wenigstens sind wir jetzt gleich am Anfang nass – das Wetter ist, trotz positivem Regencheck auf diversen Wetterportalen, natürlich ziemlich feucht. Mein Imponiergehabe verkümmert zur feuchten Socke. Aber sie nimmt es mit freundlichem Musikantenlachen hin, und bald sind wir auch schon auf dem ersten Grat, sogar die Sonne scheint jetzt, und so könnte es eigentlich weitergehen. Geht es auch (naja, 500 m falsche Richtung wg. selbstverliebtem Monolog über deutsche Nachkriegsepideiktik waren noch dabei), wir sehen sogar noch eine Gams fast in Griffweite vorbei huschen, und dann sind wir auch schon an der Bergstation der Wendelsteinbahn.

Natürlich geht es zu wie bei H&M im Schlussverkauf, verfettete Ruhrgebietsfamilien sind mit ihrer gemästeten Brut (den dicken kleinen Monstren hätte ein wenig körperliche Anstrengung gut angestanden) herauf gegondelt und ballern sich erst einmal die unvermeidlichen Pommes in den geblähten Wanst. Wir haben die bessere Verpflegung und sind nach einem kurzen Gewitterschauer fit genug für den letzten Hüpfer auf den Gipfel. Ahh, das gerühmte Wendelsteinpanorama! Blick bis zum Großvenediger! An schönen Tagen, aber den haben (Anschluss) wir heute nicht und so endet die Gipfelsicht nach ca. 30 m an grauen Wolken bzw. stehen wir genau genommen in einer solchen. Trotzdem schön.
Dann also wieder runter, noch ein Abstecher in die (saukalte) Wendelsteinhöhle bis zum Lattengustl im Felsendom (kein Foto, Blitz vergessen) und dann über saftige Almen – es hat ziemlich intensiv begonnen zu regnen – zum Endpunkt nach Bayrischzell. Zwischendurch habe ich noch Gelegenheit zu einer heldenhaften Geste: Ich verleihe meine Regenhose; jetzt schüttet es nämlich aus gewaltigen Kübeln. Das trägt mir ein nett gelächeltes „Gentleman“ ein und das hätte mir wahrscheinlich auch eine Wanderung durch das Hasenbergl unvergesslich gemacht. Recht bald sind wir dann auch wieder im Tal. Durchgeweicht (ich) und ganz schön groggy (beide: über 19 km Strecke bei knapp 1100 m Höhenunterschied waren für den Saisonstart eine doch gut gefüllte Kollekte im Klingelbeutel der Bergandacht). Aber was soll ich sagen: Es war toll. Nicht so sehr wegen Berg und schon gar nicht wegen des Wetters und noch nicht einmal wegen des Rohmilchkäses beim Jausenstopp. Mit blonden Schottinnen macht einfach alles Spaß.
Den Track zum Nachlaufen (meine beknackte Abkürzung habe ich gelöscht, ebenso den erwähnten Abstecher) gibt es hier, aber vielleicht nehmen sie doch besser professionelles Datenmaterial vom Kollegen. Link!!! jetzt: www.gpsies.com/map.do?fileId=rqqsmpqjjqinmyjx&referrer=trackList

Achim Wigand

Foto: Frank Tentler

Der Autor beliebter Reiseführer (München! vor allem!!), Jahrgang 1968, schleppt sich nicht nur auf die Berge, sondern ließ sich sogar schon einmal ins „Bergische“ entführen. In Schloß Burg lernte Achim Wigand dann die Kaffeetafel mit der berühmten „Brezel“ kennen, weiß nun den Unterschied zu „Brezn“ und staunte über den dortigen Sessellift. Mehr von ihm unter www.Achimwigand.michael-mueller-verlag.de

Foto: Frank Tentler

Berge II

Sturm in den Bergen

Ein Murmeln.
Freundlich flüsternd fast:
"Eile dich, Wanderer".

Du schaust zurück und siehst ein graues Band.
Näherkommend.
Umschliessend.
Du eilst den Weg hinab.
Schneller Kehre um Kehre. "Husch, husch! Du willst mich nicht treffen."
Poltert es hinter dir.
Fette Tropfen platschen auf die Erde.
Fichten ducken sich von riesiger Faust gedroht.
Im Rennen blickst du hinter dich.
Du schlidderst, rutscht, fällst beinah.
Der Tanz der Wolken macht dich stehen.

Uraltes Hirn drängt dich voran.
Uralte Schönheit fesselt dich im Bann.
Voran!
Kleiner Mensch, voran!

Doch alle Warnung, alles Flehen der Neuronen,
alle Stimmen der Vernunft sind vergebens.
Der Mahlstrom über deinem Kopf hält deinen Blick gefangen.
Wirbel.
Blitze.
Winde.
Toben.
Dröhnen.

Und kommt die Hilfe nicht von aussen,
zerrt niemand an den Armen dich ins Tal,
schlägt, schreit, wütet auf dich ein, dich zu bewegen,
so stehst du dort,
nass bis auf die Haut,
frierend aussen,
brennend innen,
teils geblendet von dem zuckend Licht,
teils brüllend um die Wette mit den Elementen,
bis dass ein Blitz dich frisst...

...und es wär´ gleich.

Es wär´ gut.

Frank Tentler

Foto: Frank Tentler

Die Gams ist mit dem iPhone fotografiert, vor dessen Linse Frank Tentler ein Fernglas gehalten hat. Alle Fotos wurden lt. Frank „on the wanderung“ mit dem iPhone 4 gemacht und teilweise mit den Apps von Instagram und Photoshop bearbeitet.

Foto: Frank Tentler

Frank Tentler ist Berater für Kommunikations- und Marketing-Projekte im "Social Web" für Unternehmen. Seine Eltern entführten ihn während Kindheit und Jugend gegen seinen Willen in die Berge. Heute kann er sich nicht mehr vorstellen, nicht mindestens einmal im Jahr Gipfelstürmer zu sein. www.franktentler.com

Foto: Frank Tentler