Editorial

 

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

Glück... zu Beginn des Jahres 2011 gleich ein großes Thema...
Noch in der Silvesternacht haben vierblättrige Kleeblätter, Schornsteinfeger aus Pfeifenreiniger, rosa Schweinchen mit Geldmünzen im Rücken die Besitzer gewechselt. Und auch Escapade ist reich beschenkt worden mit Prosa, Poesie, Meinungen, Fotos, Bildern von ständigen Mitarbeitern ebenso wie von Lesern.

In dieser Ausgabe gießt Fortuna ihr Füllhorn aus. Deshalb fassen wir uns an dieser Stelle kurz. Hufeisen, Fliegenpilz und ein Rätsel warten auf Euch.

Dafür wünschen wir viel Glück...

Eure,
Flora Jörgens und Silke Vogten

Die Glückliche

Glück

Das Glück liegt
in diesen Augen,
auf der Haut,
zwischen deinen Beinen,
immer da, wo ich bin,
blaue Blume.

Anna Scherer

Foto: Michael Dressel

Der Glückliche

Hormongeständnis

Erst beim zweiten mal,
als ich gar nicht mehr hinsah und nicht mal aus dem Augenwinkel wahrnehmen
konnte,
dass das, was mir zugestoßen war, ein allzu großer Zufall sein musste,
atmete meine Zirbeldrüse den Moment des Großseins, des Niewieders.

Jetzt beim dritten mal,
da ich bei vollem Bewusstsein ein Wiederauferstehen plane, weil mir per Zufall
wieder aufscheint,
dass das, was mir zugestoßen war, etwas Wesentliches gewesen sein muss,
hat meine Zirbeldrüse die Atmung eingestellt.

Volker Elsen

Bild: "Ein Fisch mit braunen Augen auf der Suche nach dem Glück" von Marka Paoli, 2002 Mixed Media, Draht auf Papier, 39 x 45 cm

Anna Scherer ist Sängerin und Lektorin in München. Michael Dressel ist Fotograf, Maler und Soundeditor, er lebt in Los Angeles. www.michaeldressel.com Volker Elsen ist Chef der Werbeagentur n-coding und Mitbegründer der Initiative Autismus, Kunst und Kultur www.initiative-akku.org und www.n-coding.com Marka Paoli lebt nach Jahren in Brüssel und New York als Malerin in Herrsching am Ammersee

Eine Glückliche

Kleines Glück, Großes Glück, Glück am Stück, Glück Plus -

So vermarktet meine Werbeagentursbesitzerinnenfreundin ihre neuen ‚Erlebnisboxen‘, i.e. Gutscheinschachteln – so eine Art Jochen Schweitzer für Omas. Tolle Sache, zweifellos; man kann da so fantastische Dinge wie Stadtführungen mit 42-jährigen Reisebuchautoren buchen (Big-City-Glück, Tintenglück und Glück nach Maß), garantiert ohne Internet und total exklusiv und gar nicht teuer. Das perfekte Mitbringsel für die nörgelige Großtante eben.

Aber vor allem ist es natürlich PR-Geschwurbel der allerersten Güte und ein schlagender, ach was, erschlagender Beleg für die traurig fallierte Karriere eines affektiven Begriffs.
Das Glücksversprechen meiner Generation: Jeder kriegt eine fantastische Ausbildung an chromblitzenden Universitäten, später einen geilen Job und schließlich riesige Pensionsbezüge für das ruhige Leben auf dem Landsitz – zerstoben im Billionenfeuerwerk der Deutschen Einheit. Nix gegen zu sagen, irgendeiner muss ja die Scherben historischer Fehlentwicklungen aufklauben und das waren eben wir.
Die Glückszertifikate des Neuen Markts der Jahrtausendwende: Ausbildung braucht eh keiner mehr, reich wird man durch irgendwasmitmedien und am Ende schippern wir alle auf Dreimast-Barken über den Mediterran – auch nix draus geworden, mit den damals noch stolz georderten Ausdrucken atemberaubender Himmelstürmerpapiere tapezieren wir heute unsere Speisekammern.
Dann wurde es frugaler: Harte Arbeit und Familie gründen, aber immer noch Eigenheimpauschale und vielleicht noch eine stille Hand in einem Containerschifffond, dann wird es schon kommen, das eigenheimische und lebensversicherte Glück. Wurde, zumindest in meinem unmittelbaren Lebensumfeld, auch nix.

Jetzt aber kommt es richtig dicke, das Glück. In praktischen CD-Schachteln, schön bunt natürlich und mit zweijährigem Einlösungsanspruch. Herbert Grönemeyer presst sein dünnes Stimmchen damit durch die Charts und beim Drogeriediscounter um die Ecke gibt es das Glück in makellosem Zellstoffweiß zum durch die Kerbe ziehen. Für’s Große Glück eben, beim Kleinen Glück reicht bekanntlich abtupfen. Glück Plus hingegen braucht wohl eher nur die andere Hälfte der Menschheit im 25-Tage Zyklus. Glück am Stück schließlich ist wohl die Fortsetzung der ungemein beliebten Reihe „Deutsche Rohrverleger I-VI“ (findet man in der klebrigen Ecke der Videothek, die aber wegen zu viel Glück aus herrlichen Breitbandnetzen bald pleite gehen wird).

Aber nein, keine piefige Kapitalismuskritik. Kaufen ist super, fand ich schon immer und das Glück schnell durchgeschalteter Gänge unter infernalischem Gebrüll völlig illegaler Auspuffanlagen in Geschwindigkeitsregionen weit jenseits des Straftatbestands (StVO §3 ff) ist ja so unbestreitbar wie es eben auch käuflich ist (vgl. Escapade Nr. 20). Von Gänsestopfleber, Wagyu, Crustaceen und ungezählten fermentierten oder getrockneten Schweinereien einmal gar nicht zu reden. Und auch alles viel berechenbarer als das ganze Gefummel, Gevögel und später vielleicht auch noch lebenspartnerschaftlich kontraktierte Gefühlsgedöns. War ja schließlich auch nur gekauft: 81 kongruente Parshipprozente und trotzdem ist am Ende bloß wieder rumgeheult worden.

Schwere Zeiten für Romantiker, vulgo Kleinbürgeranarchisten der Agape. Träumen weiter von der elfenhaften Bratschistin (keine doofen Witze, sonst gibt’s auf’s Maul); vom bösen blonden Luder aus Florida mit dem Teufelstattoo auf der Innenseite des obersten Oberschenkels; vom Wunder der unerwarteten Begierde; von stinklangweiliger monogamer Harmonie; von unmöglicher polygamer Harmonie; vom feucht penetrierenden und sanft kuschelnden und siebtwolkigem Glück. Vielleicht kommt das ja mit dem Frühjahrsprogramm: Glück Klassik.

Achim Wigand

Achim Wigand, 42-jähriger Reisebuchautor zeigt Ihnen gerne die Schönheiten Münchens und redet dabei pausenlos wirres Zeug, das er natürlich überhaupt nicht belegen kann. Gruppen reservieren bitte einen Termin bei der Escapade-Chefredaktion.

Foto: "Das Glück in meiner Hand" von H.-J. Bremen

Wir Glücklichen

Glück in 2011 und damit seit 12 Tagen passiert:

unerwartet und ohne Vorankündigung Misosuppe serviert bekommen auf Kosten des Hauses, während ich, fröstelnd und müde in die warme Wohnung mich wünschend nach anstrengendem, langem Arbeitstag, auf bestelltes Sushi warte,

ein strahlend, mit festem Händedruck, grüßender Stasos (meinem absoluten Lieblingskellner und sicher der netteste Mensch Münchens) der mich zum 1. Mittagstisch im neuen Jahr willkommen heißt und obendrein die Geburt seiner 2. Tochter zu verkünden hat

der Blick aus dem Flugzeugfenster über die phänomenal weiße und knäulige Wolkendecke in den knallblauen Himmel, in weiter Ferne ein unglaubliches Farbenspiel von orange in lila übergehend, die untergehende Sonne (ein totales Klischee natürlich, aber todsicher immer wieder trefflich funktionierend)

das Geräusch des knirschenden jungfräulichen Schnees unter den winteruntauglichen Schuhen, die ruiniert zu werden drohen von all dem Weiß, was für den Moment aber total egal ist.

2 Nichten, die um den Platz auf meinem Schoss sich streiten, dann mit jeweils einem Bein vorlieb nehmend, sich an mich kuscheln

die 1. Nacht wieder im eigenen Bett nach langem Urlaub in der alten Heimat: in die warmen Laken gewickelt langsam warm werden

Tunfischhäppchen, in Sesamkruste gebacken, auf Wasabieis, wenn auch politisch total unkorrekt und nur mit schlechtem Gewissen bestellt, dann doch mit absoluter Wonne genossen

spät abends in die Wohnung kommen und feststellen, dass mein Gastgeber, der mir für den Heimaturlaub wieder einmal das Gästebett gerichtet hat, noch auf ist und auf mich wartet, damit wir die halbe Nacht verquatschen und unfassbar viel rauchen können, obwohl ich eigentlich hundemüde bin

meine Mutter zum Abschied zu umarmen, wieder einmal überrascht festzustellen, was für ein zartes kleines Frauenzimmer sie doch ist, ein wenig traurig, sie zurückzulassen und dennoch froh darüber, sie zu haben und sie bei guter Gesundheit zu wissen

Flora die mir gegenüber sitzt: obwohl total müde und schwer im Stress, den weiten Weg von Köln auf sich genommen hat bei unsicherer Wetterlage

nach langer Tour durchs Ruhrgebiet mit letzter Zigarette und einem Glas Wein noch auf der Sofakante sitzen, die müde-brennenden Augen mühselig offen haltend, den Tag Revue passieren lassen und anschließend erschöpft auf die Matratze sinken

nach vergeigtem Sylvester zur Gastfamilie der Schwester heimkehrend, meine kleine Nichte, ganz aufgeregt vom ersten richtigen Neujahrsfest mit geröteten Wangen und lustigem Hütchen auf dem Kopfe, auf mich zustürzt und ganz glücklich von den Abenteuern des Abends berichten MUSS

die Nachricht, dass alles nicht so schlimm, meine Mutter glimpflich davon gekommen ist und nach Hause gehen kann, nachdem ich die Botschaft erhalten habe und ohne die Details zu kennen, dass sie einen Unfall hatte und sich in der Notaufnahme des Krankenhauses befindet

am 1. Januar auf einem Balkon stehend, irgendwo im Niemandsland zwischen Witten, Dortmund und Bochum festzustellen, dass es unfassbar still ist – wie es nur am 1. Tag im neuen Jahr der Fall sein kann, wenn obendrein die Straßen nahezu unpassierbar sind

trotz spiegelglatter Fahrbahn heil zuhause ankommen und Autobahn und Landstraßen gemeistert zu haben, ohne in Leitplanken oder Gräben gelandet zu sein oder von irgendwelchen Schwachköpfen, die meinen, nur weil sie ein wahnsinnig sicheres Auto fahren, sie gefeit seien gegen Eis auf den Straßen, von der Bahn geputzt zu werden.

meine Schwester anschauen und stolz auf sie sein

das macht immerhin 17 x Glücksgefühl in 12 Tagen. Kein schlechter Schnitt will ich meinen…

Bernharde H.

Foto: Alles Glück dieser Erde... vorm Senffeld von Petra Trinkaus

Ihr Glücklichen

Was ist Glück für Euch?

„Glück bedeutet für mich, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Ein Zustand, den ich leider viel zu selten erreiche.“

Andreas, 35

„Was ist Glück? Eine schwierige Frage. Die Leichtigkeit des Seins fällt mir dazu ein. Also: Glück bedeutet für mich, unbeschwert sein zu können.“

Cathrin, 32

"Viele Menschen sehen ihr Glück nur in der Zukunft. Glück ist für mich aber auch, jeden Tag in meiner Vergangenheit umarmen zu können, die Gegenwart erfolgreich, geliebt und gesund zu erleben, um mich dann auf die Glücksseligkeit in der Zukunft freuen zu können...."

Nasirah, 28

Glück ist, zu erkennen, was gut tut - und das zu leben.

T.K.

Ein Glück gibt es Escapade! Bei der Einkaufen-Ausgabe finde ich die Bilder vom Fotografen Dressel einfach super! Und hier mein kleines Glück: Glück ist für mich: durch die Berührung meiner Frau ihre Liebe zu spüren.

Rainer

Glück ist im frühen Frühling über einen Feldweg zu laufen und den Geruch des frischen Waldbodens einzuatmen. Ein perfekter Glücksmoment war für mich so ein Lauf mit Musik im Ohr. Leonard Cohen sang Halleluja und zu meiner Rechten machte etwa 10 Meter entfernt auf einer Lichtung ein Storchenpaar Rast. Ich bin stehen geblieben und habe das Glück in meiner Seele gespeichert. Noch mehr Glück: mit meiner kompletten Familie in einer Sommernacht schlaflos wegen Jetlags um 3 Uhr morgens im Bett zu liegen, schrottiges Privat-Fernsehen zu gucken und frischen Kaffee zu trinken. Bestimmte Melodien machen mich glücklich: eine von Ludwig van Beethoven, die meine wunderbare Tochter Emely auf dem Klavier spielt. Und Mayas Version von Beautiful. Maya ist die andere Wunderbare. Richtig Glück gehabt habe ich mit dem Mann: Tomtom - mein Navigationssystem durchs Leben. Ach .... Ich muss dazu sagen, dass ich ein sehr glücklicher Mensch bin und fast jede Minute meines Lebens Glück spüren kann.

Claudia Eicke-Diekmann

Foto: Glückspilz von Dirk Bannert

Hermann-Josef Bremen lebt als ehemaliger TV-Sendeleiter in Köln, Petra Trinkaus als Autorin und Übersetzerin ebenfalls, Dirk Bannert fotografiert z.Zt. in Australien, www.foto-bannert.de Claudia Eicke-Diekmann ist Redakteurin in Hamburg.

Die Glücklichen

Rätselglück und Glücksrätsel

Achim aus München und Gunda aus Köln haben richtig geraten, warum wir nur noch einmal im Monat erscheinen: es ist uns einfach zu viel geworden. Und „Niederschlag im Sonderangebot“ wurde von Beiden als Titel der Rucki Zucki Stimmungskapelle erkannt.
Dafür gibt es jeweils eine handsignierte Ausgabe von unserer demnächst erscheinenden, gedruckten Escapade.

Und hier ist die nächste Rätselaufgabe: das schöne Mädchen von Ausgabe 1...

a) wie oft haben wir im letzten Jahr Aktfotos veröffentlicht? Und b): alle diese Fotos haben zwei Gemeinsamkeiten... Die ersten 3 Einsender bekommen für Antwort a) eine CD und für das zusätzliche Knacken von b) noch ein Buch dazu. Einsendungen an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!