Editorial

 

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

was verbindet die Farbe Rot mit Erotik? Mehr als nur die Buchstaben E und ik, die sie umklammern, was recht zufällig ist.
Aufgefallen ist uns diese Umschlingung auch nicht über die Synonymie (eher schon über die Synästhesie), sondern beim Betrachten der Bilder von Marka Paoli. Zu ihrem Bild, das wir in dieser Ausgabe vorstellen, schreibt die Künstlerin: „Leidenschaftliche Hingabe ist für mich die Triebfeder im kreativen Prozess. Die Lust am unmittelbaren Kontakt mit der Farbe, gerade auch mit der Farbe Rot, wird immer stärker. Ich male ohne Pinsel – die Signatur ist der einzige Pinselstrich in diesen roten Bildern – male mit den Händen und allem, was mir in die Finger kommt. Letztlich ist es – eine Kreditkarte. Sie selbst hat nun ihren Platz in einem Bild, symbolträchtig in zwei Teile zerbrochen.“

Und was sonst noch an der Farbe so eROTisch ist, beschreiben Euch Nicole Nau (Tangotänzerin), Katharina und Beate (Escapade-Leserinnen), Angela Maurer (Sex-Shop-Besitzerin), Achim Wigand (Motorradfahrer). Mit Fotos von Michael Dressel und Eva Bensmann.
Macht Euch ein paar Minuten frei mit (oder auch: macht Euch ein paar Minuten frei für) Escapade belles-lettres. Empfehlen

Eure,
Flora Jörgens und Silke Vogten

Bild: Marka Paoli, Ohne Titel, 2008, Acryl, Plastik auf Papier, 17 x 27 cm

eROTische Malerei

>>manchmal...<<

...ist das Malen für mich wie eine Liebesbeziehung. Ich erlebe die gesamte Skala der Gefühle von intensivsten Glücksmomenten, inniger Zwiesprache, Stille, Leidenschaft bis hin zu Frustration, Wut, Enttäuschung, Zweifel – die ganze Palette erlebe ich hier im Verwobensein mit der Farbe und der Form und der Geschichte, die ich vielleicht erzählen möchte oder die sich aus meinem Unbewusstsein auf die Leinwand drängt. Ich begegne mir selbst nirgendwo so gnadenlos ehrlich, ja ausgesetzt, wie bei dem Prozess des Malens. Ich begegne mir selbst nirgendwo intensiver in meiner Selbstüberschätzung, Ungeduld, erzwungenen Gelassenheit, meinen Mustern und Konditionierungen. Und immer wieder ein Überdenken, Loslassen und Annehmen dessen was ist, auch eines Scheiterns.

Marka Paoli

Marka Paoli lebt nach Jahren in Brüssel und New York als technische Übersetzerin seit 1996 in Herrsching am Ammersee. Wie viele ihrer Vorfahren hat sie nun endgültig zur Malerei gefunden. Bild und Text sind veröffentlicht in ihrem Buch „manchmal... Malerei und Poesie aus einer besonderen Zeit.“ (Eigenverlag)

eROTische Gedanken

Rot ist eine besondere Farbe. Das Rot der Lippen auf weisser Haut macht ein weibliches Wesen besonders anziehend. Warum?
Das Weiss, die Transparenz und Zartheit, und dazu das Fleischliche, Ausdrucksstarke. Dieser Kontrast von Unberührtheit (Weiss) mit Rot, dieser leuchtenden Signalfarbe.
Ja, warum ist eine Ampel rot. Signal, Stop, Verboten!
Hat es etwas mit dem Verbotenen zu tun?
War der Apfel im Paradies auch rot?
Farben haben ja viel mit solchen Botschaften zu tun. Blau ist frisch und sauber, grün beruhigt, gibt Wege frei, ist Natur. Gelb sonnig und warm. Ja, und das Rot ist Verbotenes, Stop, und deshalb auch Lust, denn der Mensch liebt ja, Grenzen zu überschreiten. Verbotenes zu besitzen.
Besonders mag ich es, wenn ein roter Mund dann aber zurückhaltend ist. Wohl das Signal setzt aber nicht lustvoll und halboffen schimmert.
Nur dann ist es für mich sinnlich, aufregend.
Die Kombination der Farbe (Signal) mit der Offensichtlichkeit (offene Lippen, feucht schimmernd) ist mir dann platt und billig.
Deshalb muss man immer gut aufpassen, wie man Farben einsetzt und wo. In welcher Kombination, und mit welchem Hintergrund.

Nicole Nau, Buenos Aires, Tangotänzerin, hat neben ihrer Tanzausbildung Design studiert. www.tangofolkore.com Sie ist ab Ende Oktober bis Dezember für workshops in Deutschland unterwegs

Die Farbe Rot ist für mich die allerschönste überhaupt - also vermutlich auch erotisch. Vor allem als Klamotten- und Schuhfarbe. Eher nicht so gut finde ich Rot bei Haaren, Haut und Augen. (Dabei denke ich nicht an Rothäute, die ich als alter Winnetou-Fan eher erotisch finde, sondern mehr an mitteleuropäischen Sonnenbrand.) Sonst erotisch finde ich alle anderen Augenfarben (da es sowieso mehr auf die umgebenden Lachfalten ankommt) und alle anderen Haarfarben, da sie die Anwesenheit von Glatzen ausschließen. Die unerotischste aller Farben ist für mich Beige.

Katharina, Köln

Ja, ich finde ROT erotisch und zwar in vielen Variationen: rote Unterwäsche / rotes Licht / rote Lippen / rote Rosen / rote Schuhe und auch Rotwein können alles sehr erotische Erscheinungen sein. Allerdings ist die Schwelle zwischen Erotik und Porno relativ dünn: zuviel rot kann auch schnell - für meinen Geschmack - zu überladen sein, dazu gehören für mich übrigens auch die roten Fingernägel.
Alles eine Frage des Geschmacks. Ich mag die Farbe Rot, schließlich ist es die Farbe der Liebe ;-)

Beate, Wuppertal

Rot steht definitiv für Sex - deswegen ist auch unser Firmenlogo mit möglichst viel rot.
Knalliges rot finde ich meist eher nuttig (aber nicht verwerflich), dunkleres rot strahlt für mich eine dezentere / tiefere Erotik aus und fände es bei mir (Wäsche) passender, aber eigentlich greife ich immer zu schwarz. Das knallige rot sieht aber z.B. bei jungen knackigen Damen durchaus sehr anziehend aus. Bin ja gerade wieder auf der Erotikmesse, und bei den Tänzerinnen sieht es schon sehr attraktiv aus.
Bei unseren Kunden fällt mir auf, dass wir z.B. ein Catsuit (eine Art Bestseller) in schwarz, rot und weiß anbieten zum gleichen Preis. Verkaufen tun wir zu 97 % nur die Farbe schwarz - egal, ob es Männer oder Frauen aussuchen. Auch ansonsten wird fast nur schwarze Wäsche gekauft oder ansonsten weiß. Rot ist eher die dritte Wahl, fällt mir da so auf.
Als Schlafzimmerlicht ist rot sicher eine ganz gute Idee. Ich hab nur normales Licht, aber ich denke, das rot könnte erstens ganz schmeichelnd aber auch durchaus stimulierend wirken. Hat halt was verruchtes.

Angela Maurer, München, Sex-Box over18store, www.over18store.com

Foto: Salome von Michael Dressel

Fotograf Michael Dressel ist als Hollywood-Filmklempner noch eine Woche lang in Berlin auf Motivsuche. Seine homepage kann durchgehend besucht werden: www.Michaeldressel.com

eROTische Fantasien

Massimos böse Töchter

Die Köpfe von Massimos Ludern hingegen sind nicht rosso, sie sind stretta – eng. Was das für den Lustgewinn ausmacht, muss hier nicht erläutert werden. Sie verzichten auf primitive Insignien in Primärfarben und sind doch so rot. Auch wenn sie gegen alle Folklore in schwarz oder dessen einschlägigen gewickelten Varianten daherkommen. Sie sind exklusiv, kapriziös, im Unterhalt kaum zu bezahlen und sie benehmen sich schlecht. Wenn sie – notorisch abseits der Blicke von Freundin, Frau und Lebensgefährtin – zum Schlaf gebettet werden, verabschieden sie sich mit einem gequälten Furz aus ihren beiden dicken Tüten. Ihr Grunzen, Rülpsen mit dem sie meist nur widerwillig erwachen, klingt dem leidenschaftlich halbertaubten Ohr als cantate, jubilate im gut geschützten Gehörgang. Ihre Kohabitationen vollziehen sich unter dem kitzelnden, packenden Griff einer mutigen rechten Hand, ihre Vibrationen sind ein Schneidstab in den Eingeweiden. Im Grenzbereich der psychophysikalischen Erfahrung – nur zugänglich der puerilen Lust an der Transzendenz jeder Verbotslinie – quetschen sie Gehirne an hintere Schädelwände und die Todessehnsucht des auf ihnen gekrümmten Reiters zieht als harmloser geschlechtlicher Reiz durch dessen Unterkörper.
Eine Handspanne umfasst spielend ihre Taillen, die Herzen glühen und knistern und a tergo prangen unter ihren geilen Ärschen die noch einmal und diesmal in Ewigkeit zu preisenden, dem Zeitgeist trotzenden aufragenden Tüten. Sie brüllen, sie schreien, sie schießen, übermalen mit tiefen Frequenzen jede ach was so liebliche Landschaft, fressen ihre Rundungen und Kurven und rollen die asphaltschwere Decke mit ihren riesigen schwarzen Füßen auf.
Auf dem Rot ihrer italienischen Kleider prahlen in selbstbewussten Minuskeln ihre Namen, sie perlen wie gülden Geschmeide und lesen dir, Massimo Tamburini, Schöpfergeist und Vater der fiesesten desmodromischen Geilheiten eine Messe:
748, 848, 916. 996. 998. 1098.1198.
Tutti: MV F4.
Da capo.

Achim Wigand

Seine conditio in wenigen Worten übermittelt der Autor in zwei Versionen: Achim Wigand aus München muss dringend Recherchelücken im Thüringer Wald schließen - am liebsten auf einer Ducati 1198 R Corse, damit sein Reiseführer noch schneller fertig wird. // Herr W. aus M. hat schon acht Mal den Führerschein abgegeben. Immer zu schnell - was will er bloß mit einer Ducati? Mehr Zeit zum Schreiben? Nötig wär's, der Thüringen-Führer ist immer noch nicht fertig.

Foto: Eva Bensmann

Eva Bensmann, 17, wohnhaft in Raisting, fotografiert bei Veranstaltungen im NBO. Dieses Motiv entstand bei „México Picante“ am 3.9., weitere stellt Eva für spätere Ausgaben von Escapade zur Verfügung.

eROTische Malerei

Eine glutvolle Angelegenheit

Die beiden roten Tänzer sah ich in Berlin bei einer Modenschau im SO 36, bei der diverse Transvestiten die schrillsten Kleider in aberwitzigsten Schuhen vorführten. Einer von ihnen, der auch ohne seine Plateauschuhe fast 2 Meter groß war, trug ein phantastisches rotes Lackkleid, in dem er fulminant über die Bühne tänzelte…
So eindrucksvoll, das ein Bild daraus werden sollte. Im Sommer darauf arbeitete ich in einem Atelier unter dem Dach, kaum isoliert. Draußen waren es 37 Grad, drinnen ungleich heißer. Die Zeit drängte, die „Tänzer“ sollten für eine Ausstellung fertig werden. Die unglaubliche Hitze. Die roten Farben, die ich immer wieder neu anmischte. Kadmiumrot. Karminrot. Zinnoberrot.
Dieses ganze Rot… die Gluthitze oben auf dem Dachboden… und auch ich – alles verschmolz irgendwann wie im Rausch, dazu gab es die ganze Zeit den Sound von Faithless „Outrospective“…

Silke Vogten

Bild: "Rote Tänzer" von Silke Vogten, Acryl auf Holz, 190 x 60 cm