Editorial

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

der Wahnsinn naht. Ob in Gestalt von Karneval oder anderen Unwägbarkeiten.
Wir haben derweil überwintert – und überlebt. Aus den Schlaf gerissen haben uns einige merkwürdige Gestalten. Von Curzio Malaparte bis hin zu Kindern in durchnässten Sneakers, Schwätzbacken, Pfefferminzköpfen oder grellen Fools, die ja gerade überall lauern.
Künstler Thomas von Klettenberg hat einigen von Ihnen ein Gesicht gegeben. Dazu gibt es Poetisches aus den Grenzgebieten der guten Stimmung.

Und wer einmal einem untoten Italiener im Dandykostüm begegnen möchte, hat dazu bei einer szenischen Lesung in Duisburg-Ruhrort am Sonntag, dem 22. Februar, die Gelegenheit. Denn dort war immer schon alles möglich.

Verwirrt? Macht doch nichts. Wir sind es immer.

Eure,
Silke Vogten und Flora Jörgens

Bild: I Fool. Von Thomas von Klettenberg

Fools

Algorithmus oder Neue frohe Botschaften

Berechne mich
ich bin berechenbar

Beliefere mich
auch wenn ich gar nichts will

Zeige mir
was meine Zukunft ist
und was ich kauf
und lese und sauf

und wann ich sterbe
und wann ich kill

Verstehe mich
besser als ich selbst
mich je verstand

Vernetze und
verliebe mich
verkaufe mir
die ganze Welt

für meine Seele
und mein Geld

Verrate mich
Geheimnisse sind rar
ich zahle immer

mit meinem letzten
bisschen Geist

und allem
was ich bin und
was ich war

Bild: 2013 Leave the classroom. Von Thomas von Klettenberg

Fools

Kind im Februar

Es schlurft
mit halbnassen Füssen
in Sneakers

baumelt
an den Armen
der Turnbeutel

drückt
auf dem Rücken
der Riesen-Scout

wackelt
in der Hand
der viel zu große Schirm

Den Mund fest
zugepresst gegen
den peitschenden Regen

und den Körper
gestemmt gegen
den zerrenden Sturm

Ein Schlurfen,
ein Baumeln,
ein Drücken,

ein Wackeln
ein Pressen,
ein Stemmen

gegen alle Widrigkeiten,
gegen Wetter und den Wind

Ach…
Und das ist erst der Anfang,
mein Kind.

Bild: Army of colors oder Headkachel. Von Thomas von Klettenberg

Fools

Grandiose Verplemperung...

Lavaggio
stundenlang sinnlos
nach Campomaggi
Taschen googlen

Lewin
Die Exaktheit von Tolstois Alter Ego
meint nur drei Prozent Leben
sind wirklich wichtig

Lächerlich
verschwende meine Zeit
und fahre mit dem Zeigefinger
digital nach Riga

Niemals
komme ich da wirklich an
Jenseits diesseits
Nina Hagen sang:
„Mein Udo ist schon lange tot“
und meiner ist es auch…

Bild: Pepperminthead. Von Thomas von Klettenberg

Alle Gedichte: Silke Vogten. Alle Bilder: Thomas von Klettenberg. Der Künstler malt auf Licht. Seine Arbeiten entstehen seit drei Jahren auf dem Bildschirm des IPads. Seine Gemälde, auf Alu-Dibond geprintet, wurden bereits mehrfach ausgestellt und bestens verkauft. Damit hatte von Klettenberg, der eigentlich als Thomas Hackenberg im Hauptberuf Moderator und Comedian ist, nicht unbedingt gerechnet. Sein letzter Coup: eine limitierte Edition, die er Kölsch-Gläsern gewidmet hat, müsste mittlerweile ausverkauft sein. Mehr unter www.von-klettenberg.net

Fools

In eigener Sache

Sonntag, 22. Februar 2015, 18:00 Uhr:
»Curzio Malaparte – Begegnung mit einem Untoten«
Szenische Lesung + Collage
von Silke Vogten und Jochen Zimmer
mit Rupert Seidl

Über Curzio Malaparte (1898 - 1957)
Egozentriker. Dandy. Snob. Diplomat. Wie eine Flipperkugel flitzte Curzio Malaparte von einer politischen oder moralischen Position zur nächsten. Und immer lange, bevor sich der Wind drehen würde. Ein „zivilgesellschaftlicher" Papiertiger war Malaparte, der in der frühen 50er Jahren mit „Die Haut" einen provokanten Besteller ablieferte, wohl nie. In keiner Phase seines Schaffens. Viele seiner Schriften, Bemerkungen, Positionen erscheinen heute verfehlt, ja grotesk. Dennoch ist er, der Schriftsteller, Diplomat, Journalist und Kriegsberichterstatter, im faschistisch geprägten Italien Mussolinis ein rabiater und kritischer Zeuge seiner Zeit. Mit seinen Essays, Glossen und dem kritischen Feuilleton. Ebenso mit seiner Villa Mala auf Capri, mit der er sich selbst ein Denkmal setzte ...
Eine Begegnung. Lokal Harmonie, Harmoniestr. 41, 47119 Duisburg-Ruhrort.
Mehr: www.lokal-harmonie.de

Bild: The stage is mine. Von Thomas von Klettenberg