Editorial

 

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

wir sind es mittlerweile so gewohnt, dass sich hinter aufgeblasenen Synonymen oft strunzlangweilige Dinge verbergen, aber bei der Erstellung dieser Ausgabe von Escapade haben wir uns dann doch mal gewundert - dass Marketingstrategen es nicht geschafft haben, für wirklich raffinierte, aufregende Kleidungsstücke mit potenziell hoher erotischer Knisterkraft bessere Begriffe zu etablieren als „Badeanzug“ oder „Badehose“.
Selbst die Anglizismen „swim suit“ oder „trunks“ blieben lahm und sind mittlerweile fast ganz aus Gebrauch; die französische Sprache bietet mit maillot de bain auch nichts wirklich Prickelndes.

Ein Fall für Escapade also. Wir bieten Euch... ja, hmm... nennen wir es Bademode!

Petra Trinkaus und Volker Elsen haben sie übergestreift, hochgezurrt, runtergepellt. Die Ergebnisse sind Bikini-Folter und ein „Aphorisidiakum“. Anuschka Diese ließ sich optisch zu einer Foto-Collage inspirieren. Volker Elsen wünschte sich übrigens mal wieder ein Rätsel. Und da wir uns gerade um ein Lied bemühten, gibt es in dieser Ausgabe eine Kombination aus Beidem. Der mp3-file ist im Text eingebettet.

Es ist Ende Juli, es ist heiß, und wir gehen jetzt erst einmal schwimmen (nicht baden) sur la plage abandonnée, also dorthin, wo es ganz einsam ist.

Eure,
Flora Jörgens und Silke Vogten

Foto: Flora Jörgens

Bademode

Die Bikini-Folter

In Billy Wilders unsterblichem Film „Eins, zwei, drei“ wird Horst Buchholz als strammer Kommunist Otto Piffel durch Abspielen des Hits „Itsy-Bitsy-Teenie-Weenie Yellow Polka Dot Bikini“ gefoltert, bis er schließlich wider besseres Wissen herausschreit: „Ich bin ein amerikanischer Spion!“

Bikinis als Folterinstrumente sind also nichts Neues, und warum sich ansonsten intelligente Frauen Sommer für Sommer dieser Folter aussetzen, wird wohl ewig eines der ganz großen Rätsel der Menschheit bleiben: Ist es die Großwetterlage? Die Hormone? Selbstüberschätzung? Masochismus?

Die Bikini-Folter, wie wir sie kennen, gliedert sich in drei klar voneinander abgegrenzte Stadien: 1. Feldforschung 2. Anprobe 3. Praxisschock. Im ersten Stadium studiert die Bikiniwillige zunächst Prospekte für Bademoden, bevor sie sich in die Gefahrenzone der Kaufhäuser und Sportmodengeschäfte begibt und mit zittrigen Fingern winzige Stoffstücke auf noch winzigeren Kleiderbügeln studiert. Erste Trends zeichnen sich ab: in dieser Saison die fünfziger Jahre mit ländlich-sittlichen Karos und Pünktchen, üppig aufgeplusterten Oberteilen, Rüschen und Schleifchen, die Wortassoziationen wie „Madl“, „Fensterln“ und „Holz vor der Hütt’n“ wecken, sowie die Seventies mit hippiehaften Blümchen, wabernden Pantoffeltierchen- oder schwindelerregenden Psychodelic-Mustern. Sogar der gute alte baumwollene Handgehäkelte ist wieder da. (Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Nimmt beim ersten Eintauchen ca. 100 Liter Wasser auf und sinkt unter Zurücklassen der Trägerin in handgestoppten 7,8 Sekunden auf den Meeresboden.)

Freudig stimmt der Trend, die Zweiteiler getrennt zu verkaufen, so dass auch Damen, die zum Beispiel oben 42 und unten 38 tragen, zu einem passenden Bikini kommen. Einige Firmen bieten sogar Einzelteile in unterschiedlichen Schnitten von wenig über mehr bis sehr bedeckt an, mit denen jede Bikinischönheit ganz individuell ihre Stärken betonen und ihre Schwachstellen verdecken kann. Beziehungsweise umgekehrt, wie der besorgte Blick an Baggerseen und Badestränden beweist.
Wer nicht gerade eine ausgeprägte Vorliebe für Bikini-Roulette hat, kommt nun ins Stadium der Anprobefolter. Hier tut sich ein weites Feld auf: Da gibt es das mittelmeerblaue Strandzelt mit schweißtreibenden Temperaturen, den eisigen Wind wie damals beim verregneten Nordseeurlaub, die Schmuddligkeit einer Freibadkabine kurz vor Toresschluss, den muffigen Teppichboden aus der Fußpilzmittel-Werbung und die eisig kalten Kacheln städtischer Hallenbäder. Dazu Spiegel, unbarmherzig wie die Blicke der Playboys auf Sylt, verzerrt wie die eigene Wahrnehmung nach dem dritten Cocktail an der Strandbar oder nebelverhangen wie ein irischer Augusttag.

Beleuchtung gnadenlos von oben wie am Äquator, die an den merkwürdigsten Körperstellen Schlagschatten erzeugt, oder schummrig wie bei pubertären Fummelpartys auf dem Zeltplatz. Wer noch dazu das unvermeidliche kleine Schildchen beherzigt und seine Badekleidung „aus hygienischen Gründen“ über der Unterhose anprobiert, wie bizarr das auch aussehen mag, beginnt sich zu wundern, dass überhaupt jemals auch nur ein einziger Bikini verkauft wird. Aber keine Angst, es kommt noch viel schlimmer, denn nun folgt der Praxisschock. Natürlich hat frau sich beim Anprobieren damit getröstet, dass so ein Zweiteiler ganz anders wirkt, wenn sie erst mal dünn und gebräunt am Strand auftritt. Aus unerfindlichen Gründen ist diese Wandlung jedoch ausgeblieben.

Wer vor dieser Blamage rasch ins Wasser flüchtet, erkennt schnell, dass es eigentlich nur zwei Arten von Bikinis gibt: Die, bei denen man das Oberteil, und die, bei denen man das Unterteil verliert. (Es sei denn, es handele sich – siehe oben – um individuell angepasste Einzelteile.) Unvergesslich ein Tag am Strand von Biarritz, als die weibliche Hälfte unserer deutsch-französischen Jugendgruppe beinahe komplett ertrunken wäre, weil alle in der Brandung krampfhaft ihre Bikinis festhielten und keine Hand für Schwimmbewegungen frei hatten.

Als Unterart gibt es noch den Bikini, der beim ersten Kontakt mit Wasser sofort komplett durchsichtig wird und für eine gewaltige Erregung öffentlichen Ärgernisses sorgt – oder auch nur für eine gewaltige Erregung. Um diesem Effekt vorzubeugen, ist manche Badebekleidung deshalb abgefüttert. So kann sich zwischen Hose und Futter jede Menge Sand oder Kies sammeln, der die Schwimmerin entweder auf den Meeresboden zu ziehen droht oder, besonders, wenn es sich um dunkle Materie in hellem Stoff handelt, bedrohliche Assoziationen an dringend zum Wechseln fällige Windeln weckt.

Fazit: Bikinis erfüllen sicherlich ihre Zwecke – welche, werden Sie selbst am besten wissen. Schwimmen jedenfalls zählt nicht dazu.

Petra Trinkaus

Petra Trinkaus, Autorin, eigentlich ein Nordlicht, lebt schon lange in Köln. Sie ist Herausgeberin von „Köln zwischen Sekt und Selters“ und „Der Ausflugs-Verführer“. Außerdem übersetzt sie Sachbücher.

Foto-Collage von Anuschka Diese

Anuschka Diese, assoziierte frei zu „Bikini-Folter“ und pappte Etiketten: „gepiekst, geklemmt, behaart, bemalt“. Mehr analoge Handarbeit auf digitalem Space unter www.Annacloud.de

Bademode

Après Sun

Schlummrig schlüpft,
Während sich rücklings aus schnorchelndem Schläferrachen
Wenig sommerliches Sekret aufs imprägnierte Motiv-Frottée ergießt,
Ein einsames, in hitzigen Graden gedehntes
Testikel aus dem Elastan.

Setzt seinen Weg fort
In die Kehre, wo stoffbedeckter Damm und freigesetzter Schenkel
ihre anatomische Rivalität längst aufgegeben haben,
Um sich als Rotpause eines entwürdigenden Textilunfalls
in die Haut zu schreiben.

Volker Elsen

Volker Elsen, geboren in Gelsenkirchen, landete beinahe zufällig in Paderborn und gründete die Werbeagentur n-coding. Exklusiv für Escapade schrieb er den aphrodisierenden Aphorismus; das Aphorisidiakum. Außerdem ist er Initator von „akku, Autismus, Kunst und Kultur“. www.n-coding.com und www.initiative-akku.org

Bademode

Rätsel-Strand, Strand-Rätsel

Hier ist die Musik, die ein eingeblendetes Intro hat und daher etwas leise beginnt. Zu gerne hätten wir hier den französischen Text eingebracht, weil er so anmutig einen wunderschönen Strand beschreibt. Das geht aber unter keinen Umständen, denn dann wäre das Rätsel allzu schnell aufgedeckt.

Obwohl niemand, der diesen Song hört und nicht ausdrücklich weiß, wie er heißt, das durch den Text erfährt: der Titel taucht nicht ein einziges Mal in den Strophen oder im Refrain auf. So etwas konnten sich nur Franzosen in den 60er Jahren erlauben.

1) Sollt Ihr natürlich den Titel erraten – was aber eigentlich schon die schwierigste Aufgabe ist!

2) Bitte die blonde Sängerin nennen, die eigentlich als Schauspielerin Weltruhm erlangte und mit diesem Lied ihren Wohnort verriet, was den überlaufenen Landstrich noch mehr bevölkerte, so dass sie gar nicht mehr so gern auf ihrem Anwesen wohnen mochte, über das ein Verehrer einmal per Helikopter Rosen abgeworfen hatte (den sie nicht nur erhörte, sondern auch eine Weile mit ihm verheiratet blieb).

3) Findet heraus, von wem diese mp-3-Version ist. Sie ist auch schon aus den 90ern. Als Tipp: die Band hat gerade (VÖ: 17.7.) eine wunderbare neue CD gemacht mit dem Titel „The Decline Of Female Happiness“.

Die ersten drei Rätselrater können Folgendes gewinnen: wer 3) errät, erhält für den erfolgreichen Einsatz seiner Suchmaschine kostenlosen Eintritt zur nächsten Lesung. Wer 3) und 2) errät, kommt bei der nächsten Lesung ebenfalls umsonst rein und darf noch eine Person mitbringen. Wer Punkt 1) herausfindet, darf zu zweit zur nächsten Lesung kommen, ohne zu bezahlen und bekommt ein schönes Buch oder eine CD geschenkt.

Antworten bitte an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Foto: HJ Bremen

Hermann-Josef Bremen war technischer Leiter beim WDR-TV. Er fotografiert, kennt sich mit den neuesten technischen Finessen aus und hat Escapade schon mehr als einmal aus der Bredouille geholfen.

Lesung

 

Im September wird „México Picante“ gleich an mehreren Orten aufgeführt und beinhaltet: eine Lesung mit Stefan Wimmer, ein Audioplay von Tom Noga, Visuals von Flora Jörgens, dazu traditionelle mexikanische Boleros, ausgesucht ebenfalls von Stefan Wimmer.

Die multimediale Veranstaltung ist zu sehen am 3.9. in Raisting, NBO, 20.00 h; am 5.9. in Monheim, Sojus 7, Kapellenstr. 38, 17.00 h; am 6.9. in der Fiffi-Bar, Severinswall 35, Köln, 20.00 h und am 8.9. in Wuppertal, Alte Feuerwache, Gathe 6, 20.00 Uhr.

Das Programm in Köln weicht von den anderen ab: statt aus „Der König von Mexiko“ liest Wimmer „Die 120 Tage von Túlum“ und das Audioplay von Noga hat Todos Santos und nicht Acapulco zu Thema.

Reservierungen über: 0176/62 92 65 69

Leser

 

Erstmal freue ich mich, dass die Zeichnungen von meinem Lieblingsgrafiker, Ex-Kollegen und gutem Freund mal einen würdigen Rahmen gefunden haben (letzte Ausgabe). Schön schrill und gegen den Strich. Keiner ist wie Rainer... Ihr werdet von Ausgabe zu Ausgabe hochkarätiger. Kompliment. Besonders gut hat mir das Gedicht von Armin Bings gefallen. Liebe Grüße aus Berlin! Regina

Ich bin alle zwei Wochen immer sehr gespannt, was bei Euch zu sehen ist. Besonders gut hat mir das Mini-Kunstwerk in der Käseschachtel gefallen. Was für eine Idee. Thomas